Mit meiner Teilnahme an der Denkumenta hat sich ein Kreis geschlossen, und ein neuer Kreis tut sich auf.

1999 habe ich an der Universität Dortmund das „Weiterbildende Studium Frauenstudien“ aufgenommen. Im ersten Semester hörten wir von den „Italienerinnen“, Frauen aus dem Mailänder Buchladen, ihren Aktivitäten und vor allem dem Differenzansatz. Der so ganz anders war, als das in der Genderpolitik gebräuchliche Differenzverständnis.  In den ersten Semesterferien schrieb ich mutig eine  kommentierende Hausarbeit über ihr Buch „Wie weibliche Freiheit entsteht“.  Ich war fasziniert und empfand diesen Ansatz als brauchbare Alternative zur bestehenden Gleichstellungspolitik. Ich fand Perspektiven für ein freieres Leben in Form selbstbestimmter und selbstgewählter Lebensweisen und fühlte mich stark angesprochen von dem Gedanken des emotionalen Sattwerdens. Gänzlich neu war der Gedanke Frausein als eigenständig zu begreifen und die Gesellschaft aus der Rolle des Subjekts zu betrachten und zu gestalten, unabhängig von Männern und einer patriarchal geprägten Gesellschaft. Meine damalige positive Resonanz endete in der Hoffnung, dass aus diesem Denken neue Impulse und eine neue Bewegung in Politik und Gesellschaft fließen könnten.

Abschreckend wirkte auf mich die Radikalität der Forderungen. Zudem konnte ich mir eine gesamtgesellschaftliche Umsetzung nicht vorstellen. In meiner Erinnerung stellte sich mir intensiv die Frage, wie eine Beziehung zum männlichen Geschlecht aussehen kann, und wie die Erziehung der Jungen unter gleichen Maßstäben wie für Mädchen nach diesem Ansatz aussehen könnte.

Das Interesse an der Geschlechterfrage blieb in dem sich anschließenden Studium der Erziehungswissenschaften. Ich wählte unter den drei Pflichtfächern wieder Frauenstudien (heute Geschlechterforschung), dem unverändert meine große Liebe galt. In diesen Zusammenhängen zu denken und mich weiter zu entwickeln war und ist bis heute reizvoll.

Im Hauptstudium hatte ich das große Glück durch Angelika Wetterer den dekonstruktivistischen Ansatz kennen zu lernen. Der Geschlecht nicht als eine feststehende Kategorie betrachtet: Mann – Frau, sondern die Auflösung der Geschlechterpolarität postuliert.

Für mich war daran wesentlich zu einer gerechten Gesellschaft zwischen Menschen zu kommen, die keine Benachteiligung aufgrund ihres Soseins erfahren. Und somit in einer Gesellschaft zu leben, die geprägt ist durch  Akzeptanz und Wertschätzung.

Nach dem Ende meines Studiums hatte ich den Willen und die Hoffnung an diesem für mich so wichtigem Thema dran bleiben zu können – was sich in der Realität nicht umsetzen ließ. Die Lebensumstände, in denen ich mich privat und in meiner Selbstständigkeit bewegte, ließen nur sehr bedingt einen Austausch über Theorie und Praxis der Geschlechterthematik zu.

In Vorbereitung auf und während der Denkumenta begegneten mir Frauen, die sich mit dem Differenzansatz auseinandergesetzt und ihn weitergeführt haben. Die ihn durch ihre Haltung und ihr Handeln ihn in einen weiten, konstruktiv gestalteten und zu gestaltenden Raum gestellt haben. In Verbindung und ausgehend vom dem Leitmotiv: ein gutes Leben für alle, eröffnet sich mir ein wunderbarer Weg, gemeinsam an einer lebenswerten Zukunft mit anderen Menschen in einer postpatriachalen Gesellschaft mitzuarbeiten. Konkret heißt das für den Augenblick, demnächst  an einem Gesprächskreis teilzunehmen, indem das „Denken in Präsenz“ aus- und eingeübt wird.

Es waren sehr unterschiedliche Frauen anwesend. Beeindruckt war ich von der Atmosphäre der Akzeptanz und Wertschätzung, die sich durch alle Begegnungen zog. Der Moment der Stille im Plenum war für mich das persönliche Highlight. In ihm wurde für mich das große Potenzial dieser Art von Miteinander deutlich spürbar.

Ein Kreis hat sich geschlossen, ein neuer Kreis tut sich auf. Ich freue mich.