Möglicherweise.

Denn diesen Eindruck kannst du bekommen, wenn du eine Veranstaltung der Fuck up Nights in einer von ca. 160 Städten in Deutschland besuchst.

Ich habe am Dienstag zum zweiten Mal in Hannover eines dieser Events besucht, das dort inzwischen im vergangenen Jahr viermal stattfand – jeweils sehr gut besucht (diesmal ca. 450 Leute, jung und alt, mehr Männer als Frauen).

Fuck up Nights 4

Um was geht es?

Pro Abend berichten drei Personen über ein gescheitertes unternehmerisches Vorhaben in einem vorgegeben sechs Minuten dauernden Redebeitrag, frei auf einer  Bühne. Das Ganze wird mit einigen Bildern einer Powerpoint Präsentation zeitlich streng getaktet. Anschließend können einige Fragen aus dem Publikum gestellt werden. Es gibt etwas zu trinken und nach den ersten beiden Beiträgen eine Pause von fünfzehn Minuten. Insgesamt dauert der Abend ca. 1,5 – 2 Stunden.

Das Konzept der Fuck up Nights kommt aus Mexiko, die Bewegung gibt es mittlerweile in vielen Ländern der Erde.

An diesem Abend in Hannover berichten drei Männer (eine Frau hatte kurzfristig abgesagt), die alle mit einem Startup gescheitert sind. Umsätze im Millionenbereich sind in den Sand gesetzt worden. Die Ideen allesamt sehr interessant, die Unternehmer höchst engagiert. Businesspläne lagen vor, die Banken hatten die Kredite genehmigt. Keiner von ihnen machte den Eindruck, naiv und schlecht vorbereitet in die Selbstständigkeit gestartet zu sein. Ein Team gewann in der Gründungsphase sogar mehrere Preise und Auszeichnungen.

Trotzdem sind sie gescheitert.

In unserer Gesellschaft denken viele Menschen, wer ökonomisch scheitert, hat moralisch und als Mensch versagt.

Daher ist das erklärte Ziel dieser Abende, das Scheitern aus dieser Ecke der individuellen Loser*innen heraus zu holen.

Das Ziel dieses Angebotes

Es geht darum, eine Kultur zu entwickeln, in der Scheitern als Lernerfahrung und Chance verstanden wird. Um die Geschäftsidee und um sich als Mensch weiter zu entwickeln.

Was mir an diesem Abend besonders gefallen hat, war der eine Unternehmer, der so grandios gescheitert ist, dass er an einem Weihnachtsabend nicht mehr als 6 € in der Tasche hatte. Er hatte buchstäblich alles verloren. Inzwischen hat er sich wieder aufgerappelt. Aber wie schwer diese Zeit für ihn war, war deutlich zu spüren – also nix mit easy way of live, Scheitern ist geil.

Scheitern ist für die meisten Menschen eine schlimme, manchmal existenzbedrohende Erfahrung. Viele, die gescheitert sind, berichten, dass sie sich vor allem schämen, sich selbst die Schuld am Scheitern geben und in der Isolation landen.

Das gilt besonders für viele Unternehmer*innen, für die es bisher wenige qualifizierte Angebote der Unterstützung gibt.

2013 und 2014 habe ich an zwei Veranstaltungen zum Thema Scheitern der Evangelischen Akademie im Rheinland teilgenommen, in denen es ebenfalls darum ging, eine andere, bessere Kultur im Umgang mit dem Scheitern zu entwickeln. Auffällig hoch war das Bedürfnis der Teilnehmer*innen, unter Ihresgleichen von ihren Erfahrungen, Sorgen und Ängsten erzählen zu können – und sich gegenseitig mit ihren Erfahrungen zu unterstützten.

Unterstützende Angebote

Ich will dir jetzt einige Unterstützungsangebote nennen, wenn du selbst mit deinem Unternehmen ins Schleudern geraten bist oder Unternehmer*innen kennst, die in dieser Gefahr stehen.

Einer der schwersten Schritte besteht darin zuzugeben, dass dieses Szenario drohen könnte. Und sich (ggf. frühzeitig) Hilfe zu holen.

Einer, der selbst aus seinem unternehmerischen Scheitern etwas machen konnte, ist Attila von Unruh, den ich persönlich kennen lernte. Er spezialisierte sich nach seiner Insolvenz auf eine Krisen und Sanierungsberatung für Unternehmer*innen.

Von Unruh hat zudem Gesprächskreise gegründet, die Anonymen Insolvenzler. Das ist ein Netzwerk von bundesweit agierenden Selbsthilfegruppen, in denen Betroffene in einem geschützten Rahmen kostenlos Hilfe zur Selbsthilfe erfahren.

Was kannst du tun?

Hole Dir Hilfe, sprich mit jemand darüber. Auch ein Coaching ist bestens dafür geeignet, um die persönlichen Erfahrungen mit einem Scheitern zu verarbeiten. Ich stehe dir gerne zur Verfügung.

Scheitern tut weh – ich kenne es nur zu gut.

Ich bin zwar (bisher) nicht unternehmerisch gescheitert, aber in meinem alten Beruf als Krankenschwester. Ich habe damals viele Jahre gebraucht, um mir dieses Scheitern einzugestehen, mir die Gründe klar zu machen und dazu zu stehen. Was ich damals (noch) nicht wusste – Menschen verändern sich und entwickeln sich weiter. Ich habe mein Scheitern zunächst sehr persönlich genommen. Erst als ich mich bewusst damit auseinander setzte, konnte ich sehen, dass es nicht nur an mir lag und wozu es gut war. Für mich war es die Entdeckung zu erkennen, wie viel mehr im mir steckt, als ich bis dahin wusste.  Mit 39 Jahren habe ich angefangen zu studieren. Mit einem Vollzeit berufstätigen Mann und drei Kindern im Alter von 9-12 Jahren, ohne weitere Unterstützung. Mit 47 Jahren habe ich mich als Coach und Dozentin selbstständig gemacht und lebe inzwischen mein Potenzial.

Die Anstrengungen diesen Weg zu gehen haben sich gelohnt. Ohne mein Scheitern gäbe es mein heutiges Leben nicht. Es hat mich gründlich zum Nachdenken gebracht. Es hat sich gelohnt.

Das sagen auch die drei Redner der Fuck up Nights.